Güterwagen-Drehgestelle: Blech und Winkel - Talbot (TTV/TTL)

Version 2.01.104.1, Stand: 28. Februar 2055

Inhaltsverzeichnis - Blech und Winkel HauptseitePreussen, Vorläufer ab 1878 - Preussen (Blatt II d 1), Elsass-Lothringen, 1883/84 - Elsass-Lothringen, 1894 (2500 mm Achsstand) - Preussen, 1906 (VI d 7 III. Auflage)Baden, um 1908 (1850 mm Achsstand) - Prinz Heinrich-Eisenbahn (Luxemburg), 1911Talbot (TTV/TTL)Orenstein & Koppel, 1924 (mit Ausgleichshebel)WUMAG 1924 (mit Wiege)Lüttgens/Fuchs, 1925Austauschbauart, DRG, 1928 - Österreich, N 28, N 36Frankreich, Y 7Orenstein & Koppel, 1936 - andere Blech und Winkel-Drehgestelle - nächstes Kapitel - Impressum

Vorbemerkungen - Ausführungslinien TTV - Ausführungslinien TTL - Datenblatt - Quellen
   

Vorbemerkungen:
1. Die Waggonfabrik G. Talbot, Aachen hat sich als Hersteller von Selbstentladewagen einen Namen gemacht, 'Talbotwagen' wird mitunter als Synonym für Schotterwagen gebraucht.
1925 hat Talbot auf der Deutschen Verkehrsausstellung in München [1, S. 121, 124] unter anderem drei vierachsige Selbstentladewagen (Talbot 1 - 3) ausgestellt. Zu den Wagen 'Talbot 2' und 'Talbot 3' und deren Drehgestellen (Achsstand 1550 mm, Blech und Winkel?) liegen bislang keine weiteren Informationen vor.
Wohl aber zum 'Talbot 1' ([2], [3]) und dessen Drehgestellen, denen sich weitere Hinweise und Ausführungen zuordnen lassen und deren Entwicklung sich auf die Jahre 1917/18 datieren lässt.
Bei diesen (vier- und sechsachsigen) Selbstentladewagen handelt es sich jedoch meist um Privatwagen, die teils sogar nur im Werksverkehr genutzt wurden. Da solche Wagen und deren Drehgestelle nicht den engen Bestimmungen der Reichsbahn unterlagen und nur den allgemeinen technischen Vorgaben entsprechen mussten [12, S. 11], bot sich den Konstrukteuren ein größerer Gestaltungsspielraum.
Das bedeutet allerdings auch, dass zu diesen, teils nur in geringen Stückzahlen produzierten Wagen keine amtlichen oder werksseitigen Aufstellungen vorhanden sind, so dass die nachfolgende Darstellung der Drehgestelle dieser Wagen oftmals auf nur fragmentarischen Einzelnachweisen (überwiegend Fotos, Katalogabbildungen), zu denen häufig keine näheren Angaben existieren, beruht.
2. Den bisher vorliegenden Informationen nach lassen sich die hier vorgestellten Drehgestelle den augenscheinlich erkennbaren Merkmalen zwei Ausführungsgruppen (mit insgesamt Untergruppen) zuordnen.
3. Um die hier behandelten Drehgestelle begrifflich handhabbar und gegenüber anderen, von Talbot gebauten Blech und Winkel-Drehgestellen abzugrenzen, werden hier - in Analogie zu den Talbot-Drehgestellen aus den 1970er Jahren - die (offiziell nicht gebräuchlichen!) Bezeichnungen 'TTV' (Talbot Typ V) und 'TTL' (Talbot Typ L) verwendet. Mit 'TTV' werden hier Talbot Blech und Winkel-Drehgestelle bezeichnet, deren Seitenwangen-Stehblech seitlich zu Achshaltern ausgebildet ist. Mit 'TTL' sind Drehgestelle gemeint, bei denen die Achshalter auf die Seitenwangen-Stehbleche aufgesetzt sind.

Ausführungsgruppe 1: TTV
1.1 TTV - mit 'flachen' Federböcken (Talbot 18 TTV, DR Dok.Nr. 8610)
Charakteristisch für diese Ausführungslinie ist das 'glatte', seitlich Achshalter bildende Seitenwangen-Stehblech mit der gekröpften Unterkante. Die Nietenreihe (zwischen den Achshalter-Ausschnitten an der Unterkante) lässt darauf schließen, dass diese Unterkante ist durch ein innen angeschlagenes, ebenes Winkelprofil verstärkt ist.


Abb. 1: Spezialwagen (Sattelwagen mit Dachklappen für Kalkstein) Halle 600 395 [Pn], Einsteller Badische Anilin und Soda-Fabrik,
Ludwigshafen a. Rh., Hersteller: Waggonfabrik Talbot, 1918 (Untersuchungsdatum 11. 10. 18), Aufnahme: Niedersachswerfen, 31. Mai 1921;
Quelle [2], Bearbeitung G-D



 Abb. 2: Blech und Winkel-Drehgestell Talbot
 (TTV, flache Federböcke - Talbot 18 TTV),
 verwendet bei SAAR 580 482 [5],
 De Dietrich, 1926;

 Foto (Ausschnitt): Sammlung Francis Albert [6]

Genietetes Kastendrehgestell
Flache Seitenwangen-Stehbleche, seitlich Achshalter (mit aufgenieteten Gleitbacken) bildend; an der ebenen Oberkante durch außen aufgenietetes Winkelblech verstärkt; gekröpfte Unterkante, an beiden Seiten der Achshalter-Auschnitte schräg zulaufend und durch innen aufgenietetes, ebenes Winkeleisen verstärkt (siehe Nietenreihe an der Unterkante des Hauptquerträgers); ohne Ausschnitte zur Inspektion der Bremsklotzschuhe, mit vertikal aufgenieteten Winkeleisen als Anschlag für die geschmiedeten (flachen/'preussischen') Federböcke. Genieteter Hauptquerträger (Details nicht erkennbar), Kopfquerträger aus Winkelprofilen. Blatttragfedern (13-lagig, 90 x 30, 1000 mm [3]), an Laschen aufgehängt. Achsstand 1800 mm, Laufkreis-Durchmesser 940 mm [3], beidseitig wirkende Bremse mit je 4 Bremsklötzen je Achse.

Mit solchen Drehgestellen war auch der Selbstentladewagen 882 der Gutehoffnungshütte Oberhausen ausgestattet [4].


  Abb. 3: Selbstentladewagen 
  Gutehoffnungshütte 882T
 Talbot(?), um 1925.

 Foto: Isothermos-Katalog [4]


1.2 TTV - mit räumlichen Federböcken
Diese Ausführung, 1938 von Talbot für Erzwagen einer Mine in Lothringen gebaut [7], entsprechen weitgehend denen der seit 1921 gebauten Gipswagen. Bei diesen älteren Drehgestellen sind die Federn an flachen Federböcken aufgehängt, die über Winkel mit dem Seitenwangen-Stehblech verbunden sind. Bei der 1938 gebauten Ausführung jedoch sind die Federböcke ('räumlich') ausgebildet und konnten so unmittelbar auf die Seitenwangen aufgenietet werden.


  Abb. 4: Blech und Winkel-Drehgestell Talbot
 (TTV, räumliche Federböcke),
 11-lagige Blattfedern, Achsstand 1 800 mm;

 Foto: Sammlung Francis Albert [6]



  Abb. 5: Selbstentladewagen (Kohle)
 FRANCE A. L. 509 658 [P] der
 Cie. des Mines St. Avold Folschviller,
 Talbot, 1938;

 Werkfoto Talbot, Slg. Paul Scheller [7]



1.3 TTV mit äußerem Verstärkungswinkel
Diese Drehgestelle entsprechen weitgehend denen der Ausführung 1.1. Den Unterschied macht die Platzierung des Verstärkungswinkel an der Unterkante des Seitenwangen-Stehblechs: Bei der Ausführung 1.1 ist dieser innen angeschlagen, bei der Ausführung 1.3 ist er auf der Außenseite so moniert, dass der Flansch des Profils nach oben gekehrt ist, also nicht mit der Unterkante des Stehblechs fluchtet.


Abb. 6.1, 6.2: Blech und Winkel-Drehgestell Talbot (TTV, Winkel außen) mit gekröpfter Unterkante und äußerem Verstärkungsprofil,
verwendet unter Werks-Rungenwagen der Hoesch Rohr AG; Fotos: Rudolf Ossig, Hamm, August 1989 [8]



 Abb. 7: Talbot Selbstentlader
 D.H.H.V. Werk Hörde, Wagen 865
 Talbot, 1938;

 Werkfoto Talbot, Slg. Paul Scheller [7]

Mit solchen Drehgestellen waren auch die 1938 von Talbot gebauten Selbstentladewagen des Eschweiler-Bergwerk-Vereins (Grube Anna Alsdorf) ausgestattet [7].


1.4 TTV mit tiefer, ebener Unterkante
Die Ausführung 1.4 hat, wie die Ausführung 1.3, ein außen auf dem Seitenwangen-Stehblech aufgenietetes Winkelprofil. Dieses Seitenwangen-Stehblech ist hier jedoch nicht (wie bei der Ausführung 1.3) gekröpft, sondern eben.


 Abb. 8: Blech und Winkel-Drehgestell Talbot
 (TTV, tiefe, ebene Unterkante)

 Friedrich-Alfred-Hütte, Rheinhausen, Wagen 491;
 Foto (Ausschnitt): Slg. Paul Scheller [7]



 Abb. 9: Blech und Winkel-Drehgestell Talbot
 (TTV, tiefe, ebene Unterkante);

 Skizze auf Grundlage einer Übersichtszeichnung,
 Talbot, 1936 (Slg. Niels Rauscher
 Bearbeitung: G-D,) [9]

Talbot hat 1936 Selbstentladewagen für Brikett an das Brabag-Werk Ruhland (Schwarzheide) geliefert (Halle 594 146 – 149 und Halle 595 160 – 180 für 50 t / 63 m³, Anschriftenzeichnung 19091 vom 31. Jan. 1936; 1800 mm Achsstand, 8-lagige Blatt-Tragfeder Querschnitt 120 x 16 mm, Länge 1250 mm).
Mit solchen Drehgestellen waren auch die 1937 von Talbot an die Anhaltischen Kohlenwerke AKW gelieferten Großsattelwagen für Braunkohle (60 t / 84 m3) sowie eine Serie von 50 OOt, die Česká Lípa 1945/46 nach Talbot-Zeichnungen an die ČSD geliefert hat. Diese Wagen waren für ein Ladegewicht von 60 t und damit für eine Achslast von 22 t ausgelegt [7].

Darüber hinaus existiert die Talbot-Zeichnung 20668 vom 12. 04. 1937 (Behältertragwagen für Grudekoks), in der ein ähnliches Drehgestell mit 2000 mm Achsstand dargestellt ist, bei aber der Verstärkungswinkel nur knapp über der Unterkante des Seitenwangen-Stehblechs angeordnet ist. Diese Ausführung ist bislang jedoch nicht fotografisch belegt.



Ausführungsgruppe 2: TTL mit aufgesetzten Achshaltern
Parallel zu den TTV-Drehgestellen (bei denen die Achshalter Teil des Seitenwangen-Stehblechs sind) hat Talbot auch Blech und Winkel-Drehgestelle mit aufgesetzten Achshaltern (TTL) gebaut.

2.1 TTL - mit innerem Verstärkungswinkel (Talbot 18 TTL)
Bei dieser Ausführung ist die Unterkante des Seitenwangen-Stehblechs leicht abgeschrägt, aber nicht zu Achshaltern ausgebildet. Die Achshalter sind als gesonderte Bauteile auf das Stehblech aufgenietet.
Wie bei der Ausführung 1.1 ist an der Innenseite des Stehblechs montiert, die flachen Federböcke sind über vertikale Winkelprofile mit dem Stehblech verbunden.


 Abb. 10: Blech und Winkel-Drehgestell Talbot,
 (TTL, Winkel innen - Talbot 18 TTL),
 Talbot Selbstentladewagen der Badischen Anilin-
 & Sodafabrik, Wagennummer (nicht erkennbar,
 Untersuchungsdatum: 1921; Fotoausschnitt,

 Quelle: [10] (online)


2.2 TTL - Seitenwangen unten rechtwinklig
Ähnlich wie beim Drehgestell der Austauschbauart sind bei dieser Ausführung Achshalter auf das Seitenwangen-Stehblech, das eine ebene Unterkante und seitlich rechte Winkel hat, aufgesetzt. Durch die Form der Federböcke, die Anordnung der vertikalen Winkelprofile (Flansche 'nach innen', zum Querträger hin, gekehrt), vor allem aber durch das für Talbot typische, 'nach oben gekehrte' Verstärkungsprofil unterscheidet sich diese Ausführung eindeutig von den Drehgestellen der Austauschbauart.
 Abb. 11: Blech und Winkel-Drehgestell Talbot,
 (TTL, ebene, rechtwinklige Seitenwangen),
 DR Halle 595 411 [P];, Fotoausschnitt,
 Quelle [11] (online)

Mit dem in Abb. 11 gezeigten Drehgestell war (mindestens der größte Teil) der von Talbot vor 1941gebauten Behältertragwagen für Grudekoks.

 Abb. 12.: Blech und Winkel-Drehgestell Talbot
 (TTL, ebene, rechtwinklige Seitenwangen),
 verwendet bei Essen 510 616 [P], Talbot 1938;
 Ausschnitt aus Talbot Werkfoto, [7]


 Abb. 13: Talbot Bodenentlader
 DR Essen 510 616 [P], Ladegut Pech,
 Verkaufsvereinigung für Teererzeugnisse
 Talbot, 1938;

 Werkfoto Talbot, Slg. Paul Scheller [7]

Talbot hat außerdem dreiachsige Blech und Winkel-Drehgestelle, teils auch mit aufgesetzten Achshalter in unterschiedlichen Ausführungen gebaut (Drei- und Mehrachsige 1 - Talbot, 1938).


Datenblatt:
Blech und Winkel-Drehgestelle, Talbot 1918 (TTV)


Quellen:
[1] NN: die Eisenbahnfahrzeuge auf der Deutschen Verkehrsausstellung in München. Teil III.
("Organ" 1925. S. 19 ff). Nachgedruckt in: Steiger Verlag (Hrsg.): Eisenbahnwagen in Originaldokumenten: eine internationale Übersicht aus  "Organ für Fortschritte des Eisenbahnwesens in technischer  Beziehung" Teil 3: 1910 - 1943, S. 116/127.
[2] Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Foto "Niedersachswerfen, Gipstransportwagen", Signatur: I 525, FS Nr. G 4328;  online - abgerufen 14. April 2024
[3] RAW "7. Oktober" Zwickau: Datenblatt Güterwagen Gattung 4574, Typ 1 (= Scann, veröffentlicht von 'VB 995' in DSO HiFo, Beitrag "... Minderheiten ...", 30. 07. 2014); online - abgerufen 14. April 2024
[4] Isothermos Katalog, 1928, S. 25; online - abgerufen 6. Februar 2025
[5] Scheller, Paul: Persönliche Informationen (Okt. 2009, u. a. Werkfoto SAAR 580 482 [Pn], Neunkirchner Eisenwerk-Saar, De Dietrich 1926
[6] Albert, Francis: Persönliche Informationen, 2008; in: Forum "Les Amis des Wagons", Thema "Les Inclassables", Beitragsreihe "Les Bogies" (= http://wagon.discutforum.com/ - aktuell nicht mehr verfügbar)
[7] Scheller, Paul: Persönliche Informationen (u. a. Werkfotos Talbot, Jan. 2025)
[8] Ossig, Rudolf: Persönliche Informationen, (Foto: Slg. Jahn)
[9] Rauscher, Niels: Persönliche Informationen (Mai 2020)
[10] ETH Zürich, E-Pics: Foto 'Transportwaggons', Bildcode PI_29-C-0043.TIF; online - abgerufen 02. Februar 2025
[11] Verkehrsmuseum Dresden/Bildarchiv Waggonbau Görlitz. Fotografie: Vierachsiger Behälterwagen mit drei Behältern (Schrägansicht), 1948. Buna Werke Sowjetische staatliche AG Kautschuk, Schkopau.
“Schenkung der Bombardier Transportation, Werk Görlitz I Eigentum/Sammlung der Verkehrsmuseum Dresden gGmbH“; online - <abgerufen 07. 02. 2025>
[12] Carstens, Stefan: Offene Selbstentladewagen. (= MIBA Report), Fürstenfeldbruck, 2016
Šindelář, Radek: Nákladní vozy ČSD 1918 - 1945. Obecná část. Praha, 2024
Šindelář, Radek: Nákladní vozy ČSD 1918 - 1945. Katalog vozů. Praha, 2024
Scheller, Paul: Persönliche Informationen (2010, u. a. Foto DR USSR-Zone Halle 595 555 [P], Leuna)


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